Spiele in der Stadtplanung – geht das?

Können wir trockene Planungsprozesse und mühsame Partizipationsprozesse auch lustvoller und spielerischer gestalten? Welche Erfahrungen gibt es damit, was sind mögliche Vorteile, wer sind die Expert*innen dafür? Das weiss Karolina Kernbach, die sich bei der Equipe schon seit fast 2 Jahren in diese Fragen vertieft.

Hoi Karo. Sag mal, woran arbeitest du gerade?
Ich widme mich gerade den Vorbereitungen unserer Spieletagung und Pitch Night, die vom 16.-17. September 2021 in Zürich stattfinden. Da wir sie vorletzten Frühling aufgrund der Corona-Pandemie um 1,5 Jahre verschieben mussten, ist die Vorfreude nun umso grösser.

Worum geht’s bei dieser Tagung genau?
An der Fachtagung “Spielend Planen?!” setzen wir uns vertieft mit dem Einsatz von Spielen als partizipatives Tool in der Planung auseinander. Dafür haben wir inspirierende Planungsspielexpert*innen mit konkreten Umsetzungsbeispielen aus dem deutschsprachigen Raum ausfindig gemacht. Zusammen mit ihnen wollen wir das schlummernde Spielpotenzial für Planer*innen und Gestalter*innen aufzeigen, einen interdisziplinären, internationalen Erfahrungsaustausch ermöglichen und so den Zugang zu spielerischer Planung aber auch zu partizipativen Prozessen vereinfachen.

Wieso passen denn Spielen und Planen so gut zusammen?

Spielen tun wir ja alle gerne. Neben Spass können Spiele aber noch ganz viel mehr bewirken: Sie können gezielt als inspirierende, informative oder aktivierende Werkzeuge für Vermittlung komplexer Sachverhalte eingesetzt werden. Gerade für die oft sehr vielschichtigen und starren Planungsprozesse bieten spielerische Ansätze entsprechend viel Chancen, um Zusammenhänge aufzuzeigen, für Themen zu sensibilisieren und Prozesse auf eine motivierende Art partizipativer zu gestalten.

Was interessiert dich persönlich am meisten am spielenden Planen?

Ich finde es faszinierend, wie planungsrelevante Themen durch Spiele heruntergebrochen werden können und daraus ein Lernen ohne Absicht resultiert. Das Thema begleitet mich persönlich auch schon länger. Denn im Zuge meines Studiums habe ich mich vertieft mit dem spielerischen Potenzial beschäftigt und selber ein Spiel entwickelt.

Worum geht es bei deinem Spiel konkret?
Ich war im Auslandssemester in Irland und sah mich als angehende Landschaftsarchitektin mit dem Thema der versiegelten Vorgärten in Dublin konfrontiert. Dublins suburbaner Raum ist von klassischen Bebauungstypologien geprägt, sprich Reihenhäuser mit Vorgärten. Der jahrzehntelange Rückbau von öffentlichem Nahverkehr und der Fokus auf das Auto führten dazu, dass Hausbewohner*innen ihre Vorgärten zu gunsten von Parkplätzen versiegelten. Grüne Vorgärten mussten Asphaltflächen weichen.

Gleichzeitig führten klimatische Veränderungen in Dublin über die Jahre zu verstärkt auftretenden Starkregenereignisse und Hitzeperioden. Durch die Versiegelung der ehemaligen Grünflächen kann das Regenwasser nun nicht mehr vor Ort versickern, wodurch das Abwassersystem der Stadt überlastet wird. Ein stadtweit spürbares Problem, dass seine Ursache unter anderem im privaten Freiraum hat, auf den wir wiederum als Planer*innen und Gestalter*innen mit klassischen Methoden nur selten Einfluss nehmen können.

Ich habe entsprechend nach Möglichkeiten gesucht, um Hausbewohner*innen spielerisch für die Zusammenhänge von Versiegelung, Überschwemmungen, Rückgang der Biodiversität und Hitzeinseln zu sensibilisieren. Das Resultat ist ein Brettspiel namens “Drops”, das neben vielen anderen Spielen an der Spieletagung gespielt werden kann.

Wie viel kann an der Tagung sonst noch gespielt werden?

Das Programm haben wir bewusst abwechslungsreich und aktiv gestaltet. Sprich mit ganz viel Raum zum Spielen sowie für Erfahrungsaustausch rund um konkrete Spielentwicklungsprozesse. Am Open Desk Format können verschiedene spielerische Beispiele aus der planerischen Praxis getestet werden. Dabei findet auch ein Austausch über Entstehung, Entwicklung und Erkenntnisse statt. Die Bandbreite der Spiele ist riesig: Thematisch reichen sie von Mobilität über Verdichtung bis hin zu Quartierentwicklung – und dies in Form von Brettspielen, Rollenspielen oder gar als Apps.
Dieser sehr praktische Tagungsteil mit Workshops und Open Desk wird durch kurze Input-Vorträge zur theoretischen Einordnung und zu konkreten Umsetzungsbeispielen abgerundet.

Was läuft einfacher, als anfangs gedacht?

Ich bin überwältigt davon, wie begeistert und interessiert sowohl die angefragten Referent*innen als auch die eingeladenen Besucher*innen auf die Tagung reagieren. Wir hatten nach unserer Recherche die spannendsten Akteur*innen eingeladen, und fast alle waren bereit, ihr Wissen an der Tagung zu teilen. Dies ging soweit, dass schlussendlich das eintägige Tagungsprogramm nicht ausreichte, um alle interessierten Speaker*innen darin unterzubringen. So mussten wir uns auf den Kompromiss einlassen, dass mehrere Spiel-Workshops parallel stattfinden und sich die Teilnehmer*innen zwischen verschiedenen Angeboten entscheiden können.

Wenn du dir zum Thema “Spielen in der Planung” etwas wünschen könntest, was wäre es?

Dass Spielen von mehr Planer*innen als ernstzunehmendes Tool im partizipativen Planungsprozess erkannt und gelebt wird. Obwohl die positiven Effekte vom Spielen bereits nachgewiesen wurden, ist es in vielen Köpfen immer noch mit dem rein “kindlichen Spielen” assoziiert. Ich hoffe, dass die Tagung einen Beitrag leistet, dass Spiele auch in deutschsprachigen Planungsprozessen mehr Aufmerksamkeit erhalten und der Schritt zum professionellen Einsatz solcher Werkzeuge vereinfacht wird.

Welche drei Worte fassen deine Arbeit hierzu am besten zusammen?

Spielen, Planen, Vernetzen

>> Hier geht’s zum Programm der Pitch Night am 16. September in Zürich sowie der Fachtagung am 17. September 2021 in Winterthur.

UE Blog Spieletagung 3

Über Karo

Wohnort und Lieblingsorte? Zürich. Überall wo es grün ist und Leben auf dem Platz ist.

Lieblingsstadt? Hannover, Dublin, Zürich - Fahrradparadies, an der Küste, sofort in den Bergen

Ausbildung/Background? studierte Landschaftsarchitektur und Umweltplanung in Hannover und Dublin und ist Entwicklerin des Brettspiels “Drops”

Projekte, die dich inspirieren?
Play the City, Atlas of Landscapes in a room, Sheltersuit