Das Karussell ist ein etwas anderes Austausch- und Workshopformat: Für Grossgruppen aber dennoch offen und interaktiv. Wir erklären euch hier Schritt für Schritt, wann ein Karussell zweckmässig ist, wie ihr selbst eins organisiert und was es dafür braucht.
Taktik
Das Kollab-Karussell ist eine offene, spontane, interaktive Veranstaltung, deren Inhalte von den Teilnehmenden proaktiv mitgestaltet werden. Das Kollab-Karussell ist eine Taktik zwischen einer Versammlung, einer Konferenz und einem Workshop. Dabei kombiniert das Karussell diverse Aspekte, die man von Methoden wie Barcamp, Open Space oder World-Café kennt.
Interessierte Teilnehmende können an einem Kollab-Karussell zu einem festgelegten Überthema eigene Themen, Fragen und Ideen mitbringen, diese im Plenum präsentieren, und bei genügend grossem Interesse im Raum somit eine Arbeitsgruppe eröffnen. In Kleingruppen wird der Input diskutiert oder gemeinsam bearbeitet. Die Ergebnisse werden anschliessend zurück ins Plenum getragen und dort gesammelt. Dieser Vorgang kann sich mehrmals wiederholen.
Ideal, wenn ihr …
- … interessierte, engagierte Akteure zusammenbringen und einen Meinungs- und Erfahrungsaustausch auf Augenhöhe ermöglichen wollt.
- … Ideen/Konzepte/Projekte in einer interessierten Runde "testen" und im intensiven Dialog und durch wertvolles Feedback weiterentwickeln wollt.
- ... Ideen diskutieren und Arbeitsgruppen, Projekte oder Aktionen lancieren wollt, die über das Karussell hinaus führen.
- … die zukünftigen Themen und Aktivitäten eures Kollektivs, Vereins oder eurer Institution planen wollt.
Wichtig ist dabei aber, dass ihr...
- … Selbstorganisation und Partizipation als Grundprinzip des Anlasses betrachtet. Denn jede*r kann eine Idee einbringen, einen Diskussionstisch eröffnen oder eine Arbeitsgruppe gründen.
- ... bereit seid, euch überraschen zu lassen und euch auf einen unberechenbaren, resultat-offenen Anlass einzulassen. Denn es kann sein, dass die Frage, welche die Organisator*innen am meisten interessiert, gar nicht diskutiert wird, weil sich die Teilnehmenden für andere Themen begeistern.
Schritt für Schritt

1. Thema und Zielgruppe festlegen
Das wichtigste beim Kollab-Karussell ist, dass ihr vorgängig das Überthema festlegt, und dabei bewusst darauf achtet, ob das Thema sehr offen als eine generelles Thema oder als eine spezifische Fragestellung innerhalb eines Themas formuliert wird.
Basierend auf dem gesetzten Thema leitet ihr die passenden Teilnehmenden ab, sprich jene Personen, die etwas zum definierten Thema beizutragen haben und sich dafür interessieren. Je offener das Thema, desto breiter die potenziellen Teilnehmenden des Karussells. Je enger und spezifischer das Thema, umso mehr wird ein Fachpublikum angesprochen.
Mögliche Karusell-Themen
Das Karussell-Thema kann...
- breit gefasst sein wie zum Beispiel Wohnpolitik oder Smart City sein. Dazu würdet ihr dann alle diejenigen einladen, die sich für das Thema interessieren. Bei einem so breiten Thema solltet ihr jedoch besonders darauf achten, dass auch ein paar Teilnehmende dabei sind, die tatsächlich was zu diesem Thema zu erzählen haben.
- eine spezifische Frage sein: Wie können wir uns in die Wohnpolitik einmischen? Oder: Wie können wir die Smart City mitgestalten? Dazu könnt ihr gezielt Projekte einladen, die darauf eine Antwort haben/suchen und sich untereinander austauschen möchten.
- die Zukunft eines Projekts/einer Gruppe sein (Initiative, Verein, Institution). Dank dem Karussell könnt ihr unterschiedlichste Ideen für neue Themen/Aktivitäten einbringen und diese diskutieren, nächste Schritte planen und Ressourcen sammeln.
2. Karussell organisieren
Für ein erfolgreiches Kollab-Karussell braucht ihr:
Location: Ihr braucht genug Platz: verschiedene Tische oder sogar mehrere kleine Räume sowie einen grossen Raum für das Plenum.
>> Die Location sollte so schnell wie möglich gefunden werden, damit ihr in der Einladung bereits einen Ort angeben könnt.
Personal: 1 Moderator*in, idealerweise 1 Protokollant*in
>> Falls ihr es nicht selber macht, muss die Person rechtzeitig angefragt und instruiert werden!
Material:
- Plakate oder Handzettel mit den wichtigsten Infos, Hinweisen, Verhaltensregeln und Aufgaben
- Grosse Uhr, die als sichtbarer Timer fungiert
- Gong (oder ähnliches), um das Ende der Runden zu signalisieren
- Stifte & Zettel für die Pitch-Runden
- Flipcharts oder Packpapier und (Stell-)Wände für die Diskussionen und das Zurücktragen ins Plenum
Kosten
Was kostet das? Im besten Falle nichts, wenn der Raum mietfrei ist und die organisierenden Personen ehrenamtlich arbeiten. Mit einem kleinen Budget für Material, Zwischenverpflegung und eventuell einem Apéro zum Schluss macht das ganze noch etwas mehr Spass.
Dafür kann man ein zum Überthema passendes, unkompliziertes Sponsoring organisieren, ohne dass die Sponsoren Einfluss auf die Inhalte nehmen können. Denn dies ist durch das offene Format ja sowieso so gut wie ausgeschlossen.
3. Gäste einladen
Für ein lebhaftes Karussell benötigt ihr mindestens 20 interessierte Teilnehmende, besser mehr. Meist lohnt es sich, sowohl gezielt bestimmte Leute zum Karussell einzuladen, die ihr für das gesetzte Thema als Inputgebende spannend findet, als auch öffentlich dafür Werbung zu machen und damit Menschen zu erreichen, die ihr noch gar nicht kennt. So garantiert ihr auch neue, unerwartete Impulse.
Die Gäste sollten frühzeitig eingeladen und am besten auch um Rück-/Anmeldung gebeten werden, damit ihr ungefähr wisst, mit wie vielen Teilnehmenden ihr rechnen könnt.
Wichtig ist, in der Einladung deutlich zu erklären, dass es sich um ein Mitmach-Format handelt. Ihr solltet klarstellen, dass alle Teilnehmenden eingeladen sind, selber einen Input mitzubringen und damit einen Tisch/eine Projektgruppe zu eröffnen. Betont auch, dass alternativ nix passiert, wenn sich niemand aktiv einbringt.
Tipp
Viele Teilnehmende sind dankbar um etwas Vorbereitungszeit ;) Um zu verhindern, dass die Pitch-Runde aufgrund fehlender Inputs scheitert, könnt ihr einige der persönlich eingeladenen Teilnehmenden vorab darum bitten, eine Idee, eine Frage oder ein Projekt zu pitchen.
4. Karussell durchführen
Direkt vor dem Event bereitet ihr den Raum mit dem organisierten Material vor: Tische, Stühle, Zettel, Uhr etc. (siehe Punkt 2). Damit auch an den einzelnen Tischen/Räumen klar ist, was die Aufgabe und was die Regeln sind, können Handouts verteilt werden. Ein Beispiel zur Inspiration findet ihr im Download-Bereich.
Nach Eintreffen der Teilnehmenden übernimmt der*die Moderator*in: Er begrüsst die Teilnehmenden, führt ins Überthema ein, erklärt den Karussell-Ablauf und die Regeln. Die Moderation hat darüber hinaus eine zentrale Rolle! Sie*er sollte...
- eine einladende, aktivierende, motivierende Atmosphäre schaffen,
- die Sammlung der Inputs und im Anschluss der Ergebnisse gut strukturieren,
- das Gespräch leiten und darauf achten, dass alle zu Wort kommen,
- und schlussendlich dazu beitragen, dass aus den Diskussionen auch Handlungen werden (Ressourcenabfrage, Aktionsplanung etc.).
Regeln
- Das Karussell ist vollkommen abhängig davon, wer kommt und wie engagiert die Teilnehmenden sind.
- Alle Ideen werden angehört - keine Idee wird direkt kritisiert oder abgewiesen.
- Alle dürfen sich bei allen Fragen/Themen/Projektgruppen dazusetzen und die Tische auch jederzeit wieder wechseln (ausser Tischleitung).
- Nur weil man am Tisch sitzt und mitdiskutiert oder die Diskussion leitet, ist man nicht automatisch zu etwas verpflichtet.
Ablauf
A Pitch-Runde
- Alle Teilnehmenden dürfen ein Thema (und ihren Namen) auf einen Zettel schreiben und das Thema im Plenum kurz vorstellen.
- Die Zettel werden gesammelt und sichtbar hingelegt/aufgehängt.
- Danach wird verhandelt: Wer möchte welche Themen diskutieren? Können gewisse Themen vielleicht zusammengeführt werden? Welches Thema wird an welchem Tisch / in welchem Raum diskutiert?
B Barcamp-Runden
- In 1-2-3 Runden (zeitlich eingegrenzt auf 30-60 Minuten pro Runde!) werden dann die Themen diskutiert.
- Anfangs empfiehlt sich an den Tischen eine kurze Vorstellungsrunde (wenn nicht zu viele Leute).
- Ausserdem muss eine Tischleitung bestimmt werden, der*die das Gespräch leitet und dokumentiert, dann zusammenfasst und am Ende im Plenum vorstellt.
- Die Tischleitung bleibt während einer Runde am Tisch, die restlichen Teilnehmenden können jederzeit den Tisch wechseln.
>> Tipp: Wenn mehrere Runden gemacht werden, solltet ihr genügend Zeit und/oder Pausen einplanen, da solche Karussell-Runden intensiv und dadurch anstrengend sein können.
C Zurück im Plenum
Zusammenfassung: Von jedem Tisch/Thema werden die Diskussionen, Erkenntnisse, Ergebnisse und allenfalls offene Fragen sowie geplante nächste Schritte/Aktionen vorgestellt. Das Wichtigste sollte dabei von der Tischleitung schriftlich festgehalten werden (z.B. Flipchart).
Aktionsplanung: Anschliessend können sich nochmals alle Teilnehmenden zu den verschiedenen Themen melden (auch wenn sie nicht in der Diskussion dabei waren), falls sie...
- ...das Thema mit der Gruppe vertiefen möchten, Teil einer weiterführenden Arbeits- oder Aktionsgruppe sein möchten.
- ...das Thema mit Ressourcen (Material, Wissen, Geld) unterstützen möchten.
- ...zum Thema informiert werden möchten, falls es weiter gezogen wird.
>> Schritt A bis C könnt ihr auch nochmals wiederholen. So können auch Ideen und Themen, die während der ersten Runden aufgekommen sind nochmals in der 3. Runde behandelt werden.
5. Ergebnisse dokumentieren
Sobald die letzte Karussell-Runde durch ist, werden alle Flipcharts oder sonstigen Dokumentationen abfotografiert. Im Nachgang des Karussell bleibt nur noch das Protokoll zu vervollständigen und zusammen mit möglichem weiteren Dokumentationsmaterial wie Scans, Fotos, E-Mail-Adressen etc an alle Teilnehmenden zu versenden. Damit alle Interessierten die Dokumentation erhalten, könnt ihr am Karussell eine E-Mail-Liste auflegen und explizit darauf hinweisen.
Downloads
- Kollab Karussell Handouthttps://ue01-cdn.ams3.cdn.digitaloceanspaces.com/downloads/Kollab_Karussell_Handout.pdf
Equipment nutzen
Unser Equipment will von euch kopiert, geteilt und je nach individuellen Bedürfnissen weiterentwickelt werden. Wir erwarten dabei, dass ihr jeweils auf uns und allfällige Kompliz*innen verweist und eure Inhalte unter der gleichen Lizenz teilt:
Lizenz: CC BY-SA 4.0 | Urban Equipe
Zitiervorschlag: "Dieses Equipment ist unter CC BY-SA 4.0 lizenziert. Es stammt von der Urban Equipe. Der Originaltext bzw. die Originalversion befindet sich hier [Link einfügen].”
>> Die Erkenntnisse und Tipps dieses How-tos wurden im Gespräch mit Nextzürich und Tsüri.ch sowie durch Beobachtung von respektive Teilnahme an ihren Karussells entwickelt.
Feedback, Kritik, Ideen & Wünsche
Wir lernen laufend und im Laufen! Lauft mit uns und teilt eure Erfahrungen, Ideen und Eindrücke mit uns!
Habt ihr Anmerkungen, Kritik oder Ergänzungen zu diesem spezifischen Equipment? Unser Equipment steckt noch in den Kinderschuhen und entwickelt sich nun stetig weiter. Wir freuen uns daher enorm zu hören, wie es bei euch ankommt, ob es verstanden und genutzt wird. Oder eben nicht.
Oder habt ihr Ideen für weitere Gelegenheiten oder Equipments, die wir vielleicht sogar zusammen mit euch erarbeiten können? Kennt ihr Projekte, die ihr gerne hier aufgearbeitet und dokumentiert sehen würdet?
Wir freuen uns via equipment@urban-equipe.ch davon zu erfahren.