Spielerische Partizipation Dachstrategie Stadtraum & Mobilität 2040
Als Grundlage zur Überarbeitung der beiden Strategien «Stadträume Zürich» und «Stadtverkehr 2025» mit einem neuen Zeithorizont 2040 führte das Tiefbauamt der Stadt Zürich 2021 den Prozess «Mitwirkung Mobilität und Stadträume» durch. In diesem Rahmen wurden wir beauftragt, eine spielerische Partizipation mit anschliessender Wanderausstellung der Zwischenergebnisse im öffentlichen Raum durchzuführen. Dieser Auftrag bildete gemeinsam mit einer breit angelegten Online-Umfrage und Workshops mit Vertreter*innen von Unternehmen und Organisationen eines der drei Standbeine des Mitwirkungsprozesses.
> Auftraggeberin:
Das Projekt führten wir im Auftrag des Tiefbauamts der Stadt Zürich durch. Die weiteren Mitwirkungsformate übernahmen die Planungsbüros Urban Catalyst und Synergo.
> Kompliz*innen:
Unterstützt wurden wir in diesem Projekt durch Kristina Hinrichsen, Petra Stocker und Alex Bradley
> Mitwirkung im Quartier: Postenlauf
An fünf Tagen im September führten wir Postenläufe mit verschiedenen spielerischen Stationen in unterschiedlichen Zürcher Quartieren (Altstetten, Affoltern, Schwamendingen, Wollishofen und Aussersihl) durch – also dort, wo sich die Menschen in ihrem Alltag aufhalten. An den Stationen wurden Visionen und Bedürfnisse an zukünftige Stadträume konkret ausgetestet und erspielt.
So wurden beispielsweise in der “Aneignungswerkstatt” Quartierplätze gemeinsam mit Passant*innen temporär umgestaltet: mit mobilen Strukturen (etwa als Unterstände), Spielen (wie Büchsenschiessen oder Boccia) oder auch Hängematten. Entweder setzten die Teilnehmenden eigene Bedürfnisse um oder zogen eine der “Challenges”, die wir mitgebracht hatten. Über diese konkreten Interventionen kamen wir mit den Menschen ins Gespräch und konnten ihre Meinungen zur Stadtentwicklung, den Wünschen und Bedürfnissen diskutieren. Wir konnten testen, wie wenig Eingriffe es eigentlich braucht, um schon kleine Verbesserungen im öffentlichen Raum zu erreichen – sei es, weil ein neues Schattenplätzchen entstanden ist, weil Kinder neue Spielräume entdeckten oder Personen bewusst wurde, dass der öffentliche Raum veränderbar und gestaltbar ist.
Auf dem "Mobilitätsspielfeld" konnten Passant*innen mithilfe verschiedener Würfel und Spielfiguren ihre eigenen Wege in der Stadt nachspielen. Durch die Aktionswürfeln wurden Umstände (z.B. das Wetter, das Gepäck, persönliche Beschwerden, Kosten) einer tatsächlichen Route der angesprochenen Person (z.B. Arbeitsweg, Weg im Alltag, eine Reise, die gestern geschah o.ä.) variiert und besprochen, mit welchem Verkehrsmittel(n) dieser Weg zurückgelegt wird. Wichtig für uns waren die Erkenntnisse, wann der Wechsel von einem auf ein anderes Verkehrsmittel stattfand. In diesen Trade-Offs konnten die Vor- und Nachteile der jeweiligen Mittel und des Gesamtsystems beleuchtet werden.
> Wanderausstellung
Die aus der Partizipation entwickelten Thesen wurden während einer zweiwöchigen Ausstellung nochmals mit der Bevölkerung gespiegelt und weiterentwickelt. Die Ausstellung wurde an vorhandenem Stadtmobiliar, also an Lampenpfosten, Bänken usw. aufgebaut und war während tags- und nachtsüber besichtigbar. An jedem Ort fand eine öffentliche Führung durch die Ausstellung mit anschliessender Diskussion statt. Zusätzlich konnte mittels QR-Codes digital auf «Mitwirken an Zürichs Zukunft» Feedback zu den Thesen eingebracht werden.
> Online Auftritt
Für die Online-Mitwirkung benutzten wir «Mitwirken an Zürichs Zukunft», eine städtische Decidim-Plattform, die wir im Rahmen eines weiteren Auftrags der Stadtentwicklung Zürich betreuen.
> Was lern(t)en wir?
Prozess:
- Durch die spielerische Partizipation vor Ort konnten wir Menschen erreichen und miteinbeziehen, die durch herkömmliche Mitwirkungsformate wie etwa eine Grossgruppenveranstaltung nicht erreicht werden oder die im herkömmlichen demokratischen Prozess keine Mitsprache haben, etwa Kinder oder Jugendliche. Dazu hat beigetragen:
- Dort vor Ort zu sein, wo sich Menschen in ihrem Alltag aufhalten (Am Platz, vor dem Supermarkt, am Spielplatz, an der Bushaltestelle,...)
- Eine Mischung aus professionellem Auftritt (Westen, Logos, Schilder) und selbstgebastelter Ästhetik (buntes Material, Klebeband, Velo-Anhänger mit Bar,...) signalisierte: hier kannst du auch ohne Vorwissen mitmachen
- Dokumentationswand und Kafi-Bar als Einstieg für zurückhaltende Passant*innen
- Nicht alle Methoden funktionieren überall gleich gut. Wir haben zwischendurch Methoden angepasst oder mehr oder weniger intensiv genutzt, je nach Tageszeit, Ort und Teilnehmer*innen. Der Methodenmix und die Flexibilität haben dazu beigetragen, dass verschiedene Menschen mitmachen konnten.
Inhaltlich:
- Ein inhaltlicher Fokus war der Aspekt der Aneignenbarkeit der Stadträume. Im Prozess bestätigte und vertiefte sich unsere Annahme, dass Aneignung als eine der unmittelbarsten und wirkungsvollsten Form informeller Partizipation im Bereich der Stadtgestaltung betrachtet werden kann - und trotzdem noch viel zu wenig geübt und verstanden wird.
- Unsere Stadträume vermitteln momentan, dass fast alle Nutzungen und Aneignungen verboten sind.
- Es braucht darum weitere Impulse und Lernprozesse, damit Stadträume wirklich aneignenbar werden.
- (Öffentliche) Mobilität (auch nur innerhalb der eigenen Stadt!) ist ein Gut, dass nicht allen zur Verfügung steht. Das erschwert den Zugang zu Institutionen und Diensteistungen für Menschen, die sowieso schon in der Gesellschaft marginalisiert werden(z.B. Sprachschulen, Gesundheitsdienste usw.). Diese Dienstleistung sind häufig subventioniert, das bringt aber nur dann für die Menschen auch was, wenn sie erreichbar sind.
> Was hat sich daraus entwickelt?
- Abschlussbericht
- Broschüre zur gesamten Mitwirkung (von Urban Catalyst & Synergo)
- 5 Massnahmen für die nächsten 5 Jahre:
- Alternativen zu baulichen Eingriffen - Massnahmenblatt
- Umwandlung von Mobilitätsflächen testen - Massnahmenblatt
- Bespielbare Stadträume schaffen - Massnahmenblatt
- Proaktiv informieren über Kontaktmöglichkeiten - Massnahmenblatt
- Entscheidungsmöglichkeiten an die Zivilgesellschaft abgeben - Massnahmenblatt
- Im Frühjahr 2022 hat der Stadtrat die Dachstrategie «Stadtraum und Mobilität 2040» verabschiedet. Bis ins Frühjahr 2023 werden die Fachstrategien «Stadträume» und «Mobilität» erarbeitet
Fotos: Urban Equipe & Elio Donauer