Studie Beispiel Bergacker - Die Zukunft beginnt im Bestand
Der Bergacker in Zürich-Affoltern ist ein Beispiel für viele: Die Siedlung aus den 1950er-Jahren soll abgerissen und mit einem Neubauprojekt ersetzt werden. Diese verbreitete Praxis erzeugt zwei gesellschaftlich drängende Probleme: Bezahlbarer Wohnraum und soziale Netze gehen verloren und jeder Ersatzneubau verstärkt die Klimakrise weiter aufgrund der hohen grauen Emissionen, die dabei freigesetzt werden.
Wir müssen uns also fragen, ob die Strategie des Ersatzneubaus die richtige ist, um unsere Zukunft ökologisch und sozial nachhaltig zu gestalten. Unser Fazit: Eine andere Zukunft im Bergacker ist möglich – indem mit dem Bestand gebaut wird!
- Broschüre Bergacker Downloadhttps://ue01-cdn.ams3.cdn.digitaloceanspaces.com/downloads/Beispiel-Bergacker_Die-Zukunft-beginnt-im-Bestand.pdf
> Das Ergebnis: 8 Forderungen für den Umgang mit Bestand
1. BETRIEB UND UNTERHALT
Abriss verhindern, Unterhalt sicherstellen.
2. BEZAHLBAREN WOHNRAUM SICHERN
Ausrichtung des Projekts an der Zahlungsfähigkeit und den Raumbedürfnissen der Mieter*innen.
3. MIETER*INNEN BEHALTEN
Etappiert planen und mit regelmässiger Kommunikation vor Ort offen über den Prozess informieren, um „stille Verdrängungsprozesse“ zu verhindern.
4. PARTIZIPATION
Durch Einbindung der Bewohner*innen können Anforderungen und Bedürfnisse zielgerichtet umgesetzt werden.
5. AUFSTOCKEN UND ANBAUEN STATT ABREISSEN
Nachverdichtungen sind ohne Bestandesvernichtung CO² – arm zu realisieren.
6. STANDARDS UND NORMEN HINTERFRAGEN
Vorgaben und Normen im Hinblick auf ihren Nutzen für Bewohner*innen und Klima prüfen.
7. ZEITGEMÄSSE RAUMPLANUNG
Mehrwert aus Aufzonungen und Arealboni müssen vollständig der Allgemeinheit anstatt den Landeigentümer*innen zugute kommen.
8. QUALITÄTSSICHERUNG DURCH DIE STADT
Die Einhaltung der Klimaziele und die Sicherstellung von bezahlbarem Wohnraum sind höher zu gewichten als gestalterische Idealvorstellungen.
> Beteiligte
Diese Studie wurde unentgeltlich und aus Eigeninitiative angefertigt in einem Zusammenschluss von Mieterinnen- und Mieterverband Zürich, baubüro in situ, Urban Equipe und Studierenden der ETH Zürich, im Austausch mit den Eigentümer*innen und den Bewohner*innen.
> Selbstinitiierte Studie - Wie kam es dazu?
Die zwei Eigentümerinnen Habitat 8000 und SwissLife beschlossen 2016, die Erneuerung des Bergackers gemeinsam zu planen. 2019 starteten sie eine entsprechende Testplanung für einen Ersatzneubau. In drei Etappen sollen Gebäuderiegel quer zum Hang gebaut werden, die dem Gartenstadt-Charakter verpflichtet sind. Die Eigentümerinnen kommunizierten (u.a. an der städtischen Veranstaltung “Diagonal Affoltern” am 25. Oktober 2021), dass sie den Bergacker ökologisch und sozialverträglich erneuern möchten.
Im Frühsommer 2021 erhielt der MV Zürich eine Meldung von besorgten Mieter*innen. Sie wurden (spätestens) im Sommer 2020 über den kommenden Abriss informiert, waren jedoch verunsichert, was das für sie bedeutet.
Daraufhin beauftragte der MV Zürich uns, mit Mieter*innen Kontakt aufzunehmen. Diese Kontakte wurden laufend auf- und ausgebaut. Es fanden Befragungen vor Ort, Gespräche an der Wohnungstür, Telefonate, gemeinsame Besuche öffentlicher Veranstaltungen und briefliche Kontaktaufnahmen statt. Dabei kam die breite Verunsicherung der Mieter*innen zum Ausdruck: “Können wir hier wohnen bleiben?”
Eine Interpellation der AL im Gemeinderat im August 2021 sowie diverse Medien-Artikel brachten die Entwicklungen am Bergacker an die Öffentlichkeit. Es tauchten weitere ungelöste Fragen auf: Ist der Ersatzneubau des Bergackers tatsächlich die ökologisch nachhaltigste Lösung?
Darum ging der MV Zürich auf das baubüro insitu zu, um eine Analyse der Situation hinsichtlich der ökologischen und sozialen Faktoren aufzugleisen. Kurz darauf stiessen mehrere Studierende der ETH Zürich dazu, die sich zum Teil eigenständig ebenfalls mit der Siedlung Bergacker zu beschäftigen begonnen hatten. Gemeinsam beschlossen alle Beteiligten, ein unbezahltes und eigeninitiiertes Studienprojekt durchzuführen und den Bergacker als Beispiel für zahlreiche weitere Nachkriegssiedlungen in Zürich (und der gesamten Schweiz) genauer zu betrachten.
Diese Schritte geschahen stets unter Information und Absprache mit den Eigentümerinnen und im Gespräch mit Bewohner*innen des Bergackers.
> Diskussions-Veranstaltung
Am 7. November 19:30 gaben im ZAZ Bellerive verschiedene Expert*innen ihre Einschätzung zur Studie ab. Anschliessend gab es eine Diskussion um die Frage: Wie machen wir weiter, im Bergacker und darüber hinaus?
Mit Statements von:
- Ivo Balmer, Initiativkomitee des Basler Wohnschutz, Mitgründer Genossenschaft Mietshäuser Syndikat, SP Basel-Stadt
- Rahel Gessler, Co-Leiterin Geschäftsbereich Klimaschutz und Energie, Umwelt- und Gesundheitsschutz der Stadt Zürich
- Katrin Gügler, Direktorin Amt für Städtebau der Stadt Zürich
- Hannes Reichel, Dozent für Immobilienökonomie, ETH Zürich, Reichel Architekten Zürich
- Jakob Schneider, Countdown 2030, Salathé Architekten Basel AG
Moderation: Sabine v. Fischer