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Die Ideenkarte Nextzürich

  • Praxisbeispiel | Umsetzung
erstellt: 02.10.19 / aktualisiert: 21.04.22

Die Nextzürich Online-Ideenkarte sammelt Ideen und Visionen für die Entwicklung der Stadt Zürich aus der Bevölkerung und entwickelt diese kollaborativ zu handfesten Konzepten. Wir stellen euch dieses inspirierende Umsetzungsbeispiel vor und zeigen auf, wie ihr selber ähnliche Projekte angehen könnt.

Auf einen Blick

Was: Die Nextzürich Ideenkarte ist eine Online-Partizipationsplattform, auf welcher Städter*innen Ideen für die (räumliche) Entwicklung der Stadt Zürich eingeben, bewerten und diskutieren können.
Wer:
Von Johannes Bauchin und Nexthamburg zur Verfügung gestellt für den Verein Nextzürich
Wann:
seit 2013
Wo:
Stadt Zürich

Kontext

Die erste Next-Ideenkarte wurde 2009 vom Verein Nexthamburg erstellt. Von Hamburg aus gründeten sich weltweit diverse Next-Initiativen, zum Beispiel Nextkassel, Nextbangalore, Nextistanbul oder Nextsavamala.

Alle Initiativen arbeiten eigenständig, meist ehrenamtlich und mit eigenen Methoden; sie sind jedoch verbunden im "The Next Network".

In diesem Netzwerkgedanken stellte Nexthamburg auch den Initiant*innen von Nextzürich die Ideenkarte als eigene Plattform zur Verfügung. Diese Zusage machte die Gründung des Vereins in Zürich übrigens erst möglich!

Impressionen1/8

Ausgangslage

In der Schweiz sind Verwaltungen bei grösseren Stadtentwicklungsprojekten wie Zonenplanänderungen oder Richtplanung dazu verpflichtet, die Bevölkerung miteinzubeziehen. Vermehrt wird dies auch bei Arealentwicklungen und Sondernutzungsplänen umgesetzt.

Oft kommen diese Partizipationsangebote aber zu spät: Ein kritischer Diskurs über zentrale Fragen beginnt meist erst, nachdem Stadtentwicklungsprojekte bereits geplant und wertvolle Ressourcen investiert wurden. Ein Missstand, der durch eine vorgängige Abschöpfung von Ideen und Bedürfnissen vermieden werden könnte. Genau dafür hat Nextzürich eine Online-Ideenplattform lanciert und einen Partizipationsprozess entwickelt (vgl. Kaffeerösterei).

ziele

Nextzürich wollte eine Plattform schaffen, die...

  • Ideen, Träume und Visionen aus der Bevölkerung sammelt und ihnen Sichtbarkeit verleiht.
  • Diskussionen sowie Votings über diese Ideen ermöglicht, unabhängig von der öffentlichen Agenda und somit bevor die Städter*innen zu gemachten Plänen nur noch ja, nein oder höchstens „bizli meh grüen“ sagen können.
  • Wissensaustausch zwischen Ideengeber*innen und Expert*innen fördert.
  • Ideen gemeinsam zu ausgereiften Konzepten und konkreten Projekten weiterentwickelt, damit diese schliesslich mit der Politik/Verwaltung diskutiert werden können.

Vorgehen

Da Ideenplattformen 2013 nicht wirklich erhältlich bzw. wenn schon teuer waren (und es meist immer noch sind) stellte Nexthamburg seine eigene Plattform für Nextzürich zur Verfügung.

Die Website basiert auf der Wordpress-Plattform. Die online eingereichten Ideen werden als sichtbare Kacheln angezeigt mit Informationen zu Autor*innen, einem Bild mit der Idee, der Verortung auf einer Karte und einer Kommentarfunktion. Jeder neue Eintrag erscheint automatisch zuoberst. Die Ideen wurden von Nextzürich manuell kommentiert. Nach einigen Monaten des Gebrauchs wurde die Ideenplattform in einigen Funktionen ergänzt.

Herangehensweise

Zugänglich

Die Plattform steht allen offen. Die Nutzer*innen können eigene Ideen eingeben oder bereits bestehende bewerten oder kommentieren. Eine Registrierung ist dafür nicht nötig. Damit jedoch allfällige Rückfragen geklärt und die Ideenautor*innen in den Entwicklungsprozess einbezogen werden können, ist für das Posten von Ideen und Kommentaren die Angabe einer E-Mail-Adresse erforderlich.

Intuitiv

Das Prinzip ist verblüffend einfach: Auf der Online-Ideenkarte können Städter*innen Ideen beschreiben und verorten. Sie können sich untereinander über die Ideen austauschen, sie bewerten und weiterentwickeln. Der Verein Nextzürich greift als Moderator*in in den Diskurs ein und versucht die Ideen mit gezielten Fragestellungen noch weiter reifen zu lassen.

Kollaborativ

Nextzürich liegt viel daran, jede eingegebene Idee ernst zu nehmen und Wissensaustausch zu ermöglichen. Der Verein will nicht einfach Ideen abholen, sondern diese durch einen Austausch auf Augenhöhe mit den Ideengeber*innen und Fachpersonen diskutieren und weiterentwickeln. Nur so können beide Seiten im Prozess voneinander lernen.

Wirkungsorientiert

Gepostete Ideen werden durch Nextzürich aufgenommen und in teils selbst entwickelten Offline-Formaten wie Salon-Loops, Spaziergängen oder Entwicklungsworkshops vertieft: von Ideen zu Bedürfnissen, von Bedürfnissen zu Themen, von Themen zu Aufgaben, von Aufgaben zu Lösungsansätzen und schliesslich von Lösungsansätzen zu Konzepten. Mit solchen konkreten Resultaten lassen sich Ideen gezielt adressieren und notwendige Debatten lancieren.

KOMMUNIKATION

Werbung für die Plattform wurde auf folgende Arten betrieben:

  • an den Offline-Formaten durch mündliche Erläuterung und einem Bild der Karte
  • durch einen postkartenähnlichen Flyer, auf dem Ideen aufgeschrieben werden konnten
  • durch Werbung in sozialen Netzwerken
  • durch Zeitungsinterviews

Erkenntnisse

Die Ideenplattform von Nextzürich ist eine Pionierplattform, die 2013 eine der ersten Projekte dieser Art war. Die Reflexion der Erfahrungen lohnt sich daher für Folgeprojekte:

  • Um Ideen durch Rückfragen und Diskussionen weiterzuentwickeln, ist ein grosser Moderationsaufwand notwendig. Dieser Aufwand konnte mit den begrenzten Ressourcen vom ehrenamtlichen Verein Nextzürich nicht immer gedeckt werden.
  • Häufig waren es hoch gebildete Menschen und sogar Personen aus der Planungswelt, die Ideen einreichten. Dieses Bubble-Problem konnte mit den Offline-Formaten etwas aufgebrochen werden, indem vor Ort auch andere Zielgruppen angesprochen wurden. Es bleibt jedoch ein Grundproblem, dass die Eingabe von Ideen voraussetzungsreich ist. Bei einem Anspruch, divers zu sein, müssen Lösungen gefunden werden, wie Personen bei der Ideenentwicklung und -eingabe Unterstützung in Anspruch nehmen können.
  • Um mit den begrenzten Ressourcen eine möglichst effiziente und zielführende Weiterbearbeitung zu ermöglichen, hat Nextzürich Ideen thematisch gebündelt nach dem Prinzip der Kaffeerösterei. So wurden beispielsweise die Ideen mit Velobezug in mehreren Schritten zum Konzept «Velocity» weiterentwickelt, welches der Stadtverwaltung überreicht werden konnte.
  • Die Diskussion und Weiterentwicklung der Ideen funktioniert am besten in Kombination mit Offline-Begleitformaten, da dadurch die virtuelle Welt mit der realen Stadt und deren Bewohner*innen verknüpft werden kann und der Prozess dadurch noch offener und seine Lösungen noch diverser werden.
  • Eine Ideensammlung und -weiterentwicklung bietet Sichtbarkeit und Diskussionsvorlagen, sollte jedoch darüber hinaus im Idealfall an ein Umsetzungsversprechen gebunden sein. Nextzürich tüftelt daher an einem Konzept für eine Plattform mit partizipativem Budget für die Stadt Zürich: Die Quartieridee.

FEEDBACK: POSITIV!

Auffällig war, wie schnell die Nutzer*innen Vertrauen in die Plattform hatten. Typisches Feedback:

  • “Ah, was, die Ideenkarte wird nicht von der Stadt betrieben?”
  • “Ich habe viele Ideen eingegeben - wann werden sie an die Verwaltung gebracht?”
  • “Ihr habt meinen Eintrag zur ‘Idee des Monats’ gekürt. Wird sie jetzt umgesetzt?”

Dies zeigt die Bereitschaft der breiten Bevölkerung, noch viel weiter in digitaler Partizipation zu gehen als dies aktuell möglich ist.

SUPERTIPP

Unabhängig davon, ob die Plattform gerade in Verwendung ist oder eher momentan ‘schläft’ - sie ist ein super Kommunikations-Tool! Erich Schwarz ist als Kommunikationsbeauftragter des Vereins stolz, dass Nextzürich diese Plattform so hartnäckig gehalten hat. Bis heute werden nämlich noch Leute auf den Verein aufmerksam, weil sie die Ideenkarte entdecken.

Technische Tipps

>> Die Funktionen zur Förderung der Diskussion müssen besonders sorgfältig gestaltet und programmiert werden. Das geht bis in die Details, z.B. dass Ideengeber*innen automatisch benachrichtigt werden können, wenn ein Kommentar zu ihrer Idee abgegeben wird.

>> Die Bildsprache ist wichtig! Es gibt immer einige Teilnehmer*innen, welche keine eigenen Bilder zu ihrer Idee posten. Für diese Fälle lohnt es sich zu überlegen, ob es z.B. default-Bilder gibt.

>> Bei einer so offenen Fragestellung werden oft ähnliche Ideen eingereicht. Solche Ideen können gruppiert werden (automatisch oder manuell, online oder physisch, ob nur zum Anzeigen auf der Website oder gar um eine Kollaboration zwischen den Ideengeber*innen anzustossen).

>> IT-Entwicklungen brauchen stets Zeit und Fachwissen - nicht unterschätzen! Dazu gehört auch der Support-Aufwand während des Betriebs.

Inspirierend, weil...

... die Plattform einen simplen, inklusiven und niederschwelligen Ansatz verfolgt, um Ideen, Visionen und Wünsche aus der Bevölkerung zu erheben, zu vergleichen und weiterzuentwickeln.

... die kollaborative "Veredelung" der gesammelten Ideen Wirkung zeigte und mit Konzepten wie Velocity und der Quartieridee in Zürich erste Umsetzungsversuche lanciert werden konnten.

So könnt ihr mitwirken

Ihr habt gute Ideen für die Stadt Zürich?
Dann nehmt Kontakt mit Nextzürich auf, denn sie freuen sich stets über Brainpower und Unternehmungslust!

Die Nextzürich-Ideenplattform ist ebenfalls offen für eure Ideen und Kommentare, sie wird jedoch nicht mehr aktiv bewirtschaftet, da der Verein seinen Fokus aktuell auf andere Projekte richtet (z.B. Quartieridee).

Ihr möchtet in eurer Stadt eine eigene Next-Initiative gründen?
Dann meldet euch beim Next-Netzwerk. Sie können euch bei der Gründung einer Ideenplattform in eurer Stadt unterstützen und euch allenfalls eine Kopie der Ideenkarte zur Verfügung stellen.

Equipment nutzen

Unser Equipment will von euch kopiert, geteilt und je nach individuellen Bedürfnissen weiterentwickelt werden. Wir erwarten dabei, dass ihr jeweils auf uns und allfällige Kompliz*innen verweist und eure Inhalte unter der gleichen Lizenz teilt:

Lizenz: CC BY-SA 4.0 | Urban Equipe

Zitiervorschlag: "Dieses Equipment ist unter CC BY-SA 4.0 lizenziert. Es stammt von der Urban Equipe. Der Originaltext bzw. die Originalversion befindet sich hier [Link einfügen].”

Kontaktlinks: Nextzürich

>> Wir haben Nextzürich beobachtet und im Gespräch mit Vertreter*innen von Nextzürich als inspirierendes Beispiel dokumentiert, jedoch nicht in der Entwicklung mitgewirkt. Für weiterführende Informationen empfehlen wir euch direkten Kontakt mit Nextzürich aufzunehmen.

feedback, kritik, ideen & wünsche

Wir lernen laufend und im Laufen! Lauft mit uns und teilt eure Erfahrungen, Ideen und Eindrücke mit uns!

Habt ihr Anmerkungen, Kritik oder Ergänzungen zu diesem spezifischen Equipment? Unser Equipment steckt noch in den Kinderschuhen und entwickelt sich nun stetig weiter. Wir freuen uns daher enorm zu hören, wie es bei euch ankommt, ob es verstanden und genutzt wird. Oder eben nicht.

Oder habt ihr Ideen für weitere Gelegenheiten oder Equipments, die wir vielleicht sogar zusammen mit euch erarbeiten können? Kennt ihr Projekte, die ihr gerne hier aufgearbeitet und dokumentiert sehen würdet?

Wir freuen uns via equipment@urban-equipe.ch davon zu erfahren.