Equipment

Salon-Loop 'Velocity'

  • Praxisbeispiel | Umsetzung
erstellt: 20.01.21 / aktualisiert: 25.10.21

Wie kann Zürich endlich zu besseren Velowegen kommen? Der Verein Nextzürich entwickelte dazu partizipativ konkrete Ideen, mit denen sie an die Stadt gelangten.

Auf einen Blick

Was: partizipativer Themenfokus für bessere Velowege in Zürich
Wer:
Verein Nextzürich; die FHNW begleitete und unterstützte das Projekt im Rahmen des BREF-Projekts „Neue Methoden der demokratischen Stadtentwicklung“
Wann:
April-Juni 2015
Wo:
ganze Stadt Zürich, online und offline

impressionen | CC BY 4.0 Nextzürich1/5

Ausgangslage

Nextzürich startete 2013 einen bottom-up Partizipationsprozess zur Zukunft von Zürich. Nach einer offenen online Ideensammlung kristallisierte sich vor allem ein wichtiges Thema heraus: Die Verbesserung der Velowege. Deswegen entschloss sich der Verein, sich gemeinsam mit seiner Community in das Thema zu vertiefen.

> Hier beschreiben wir den konkreten Themenfokus zu den Velowegen. Eine Übersicht der Prozessidee ‘Kaffeerösterei’ findet ihr hier. Für detailliertere Einblicke in die online Ideenkarte lest hier weiter. Tipps und Tricks der dazugehörigen offline Formate findet ihr in der Anleitung zum Salon-Loop.

Ziel

In einem mehrstufigen partizipativen Prozess aus offline Veranstaltungen werden konkrete Lösungsvorschläge erarbeitet, um die Velowege in Zürich zu verbessern. Für die Kollaboration zwischen der breiten Bevölkerung und den Planer*innen suchte der Verein Nextzürich eine kreative Herangehensweise.

Herangehensweise

Der Verein Nextzürich hatte am Anfang eine grobe Prozessidee (‘Kaffeerösterei’). Diese war jedoch eher eine Leitlinie denn ein programmatisches Korsett. Es war immer wieder nötig, situativ zu reagieren und den Prozess anzupassen.

Im Verlauf des Prozesses entwickelte der Verein die Methode ‘Salon-Loop’:

>> Ein Salon Loop ist eine Reihe von offline Workshops, die aufeinander aufbauen und in denen ein Thema partizipativ vertieft und entwickelt wird. Speziell dabei ist das Wechseln zwischen den Perspektiven der breiten Öffentlichkeit und der Planer*innen.

warum 'Salon-Loop'?

Der Fokus auf Diskussion, Austausch, Vertiefung in geselliger Runde erinnert an einen ‘Salon’. Und da die einzelnen Veranstaltungen aufeinander aufbauen, und dazwischen stets eine Rückkoppelung mit den Ideengeber*innen stattfindet, durchläuft das Thema quasi einen ‘Loop’.

Projektskizze1/2

PROJEKTBIOGRAPHIE

So ist Nextzürich vorgegangen:

  1. Vorbereitung I: Nextzürich entschied sich dafür, das Thema der Velowege in Zürich vertiefter anzugehen. Dazu analysierten sie zunächst die online bereits eingereichten Velo-Ideen, kategorisierten sie und übersetzten sie in verschiedene Bedürfnisse.

    In dieser Phase schaute Nextzürich auch genauer nach, was die Stadt Zürich selber zu dem Thema am erarbeiten war, zum Beispiel mit dem Masterplan Velo. Da viele Massnahmen aus diesem Masterplan noch nicht oder zu wenig umgesetzt worden waren, stieg der Verein mit diesem Dokument als Basis in den ersten Salon ein.
  2. Nextsalon I: Für ein erstes Treffen schrieb Nextzürich alle Einzelpersonen an, die auf der Online-Ideenkarte etwas zu Velos gepostet haben (ca. 60 Personen) und luden sie sowie die breite Öffentlichkeit für die vertiefte Auseinandersetzung ein. Das Ziel war, eine Art Mini-Community zu pflegen. In Gruppen wurden die Themenbereiche «Velobahnen», «Quartierstrassen» und «Kreuzungen und andere kritische Stellen» diskutiert.
  3. Vorbereitung II: Aus den Ergebnissen des Nextsalons I formulierten die Mitglieder von Nextzürich Aufgabenstellungen zu konkreten Brennpunkten in der Stadt.
  4. Nextsalon II: In einem Entwurfsworkshop setzten sich Planer*innen an die partizipativ entwickelten Aufgabenstellungen, um Lösungsvorschläge zu entwickeln. Der Fokus lag auf einem konkreten Beispiel, (Rämistrasse in Zürich).
  5. Entwurfsausstellung: Die Ergebnisse aus dem Entwurfsworkshop wurden anschliessend ausgestellt und durch die breite Öffentlichkeit befragt und kommentiert.
  6. Dokumentation: Aus diesen Schritten destillierte Nextzürich eine Broschüre, welche die verschiedenen Lösungsvorschläge detailliert aufzeigt.
  7. Megaphon: Die Vereinsmitglieder von Nextzürich stellten in einem längeren Gespräch die gesammelten Ergebnisse dem Tiefbauamt Zürich vor.

TIPP-KISTE

  • Wichtig sind die Perspektivenwechsel. Einerseits werden die einzelnen Salons mit verschiedenen Akteur*innen durchgeführt, aber auch innerhalb einzelner Salons ist es wichtig, dass Teilnehmer*innen in verschiedene Rollen schlüpfen (z.B. mit Spielen wie dem Conflicity)
  • Die Rolle der Moderation besteht darin, ständig zwischen verschiedenen Perspektiven zu übersetzen.
  • Zentral für eine aufbauende Entwicklung eines Themas ist eine gute Kommunikation (Vorankündigungen und Recaps des Diskutierten).
  • Es ist zwar eine schöne Wunschvorstellung, dass die Teilnehmer*innen konstant dabei bleiben. Doch das passiert selten. Zumindest sollte aber die Möglichkeit dazu geboten werden, zum Beispiel durch eine persönliche Nachricht (“Wir haben deine Idee weiterentwickelt - bist du wieder einmal dabei?”) wird Community building möglich.
  • Es war gut, dass der Verein so unkompliziert und agil aufgestellt war, ohne spezifischen Auftrag und Zeitdruck, und prozessoffen vorging! So konnten sie während dem Prozess auf Unerwartetes reagieren. Umgekehrt war diese Offenheit auch gut für den Verein. Denn Spontaneität macht Spass und schweisst zusammen.

Überraschungen

In einem prozessoffenen Vorgehen lässt sich viel an den überraschenden Momenten lernen. Von diesem Projekt bleiben zwei Momente besonders in Erinnerung:

  • Der zweite Nextsalon war ursprünglich nicht mit Planer*innen, sondern mit einer breiten Öffentlichkeit geplant. Auf der Plattform diskutierte die Stadtbevölkerung jedoch wenig lösungsorientiert. Deswegen entschied der Verein, stattdessen einen Entwurfsworkshop mit eingeladenen Planer*innen zu machen.
  • Im Entwurfsworkshop nahmen die Planer*innen ihren gewohnten Blick aus ‘Vogelperspektive’ ein. Erich wählte als Nicht-Planer einen anderen Weg: Er fuhr die besagte Strecke selber ab und machte daraus eine Fotoreportage. Dies war auch für die Planer*innen ein wertvoller Perspektivenwechsel.

FUN FACT

Es gab viele Teilnehmer*innen, die nur einmal kamen und dann nicht mehr. Diejenigen jedoch, welche häufig kamen und die Themen aktiv weiter entwickelten, wurden früher oder später Vereinsmitglieder. Damit gab es eigentlich kaum ‘klassische’ Teilnehmer*innen. Was für ein Kompliment an den Verein! :)

impressionen | CC BY 4.0 Nextzürich1/3

Was wurde erreicht?

Mit der Dokumentation ‘Velocity’ ging Nextzürich zu Entscheidungsträger*innen bei der Stadtverwaltung und präsentierte den Prozess sowie die Lösungsvorschläge.

Die Präsentation wurde sehr wohlwollend aufgenommen.

Inhaltlich war für die Stadtverwaltung zwar nichts grundlegend Neues dabei. Die Brennpunkte waren ihnen bekannt (was ja ein gutes Zeichen ist!). Die Ergebnisse waren jedoch für die Stadtverwaltung eine Bestätigung dafür, an ihren Themen weiterzuarbeiten. Umgekehrt bekam Nextzürich Einblick in die Arbeit der Stadtverwaltung, indem sie Feedback zu jedem Lösungsvorschlag diskutierten.

Nextzürich konnte vor allem auch mit dem Vorgehen bei der Stadtverwaltung punkten: Neu war für diese nämlich, dass ihnen nicht ein (‘richtiger’) Lösungsvorschlag präsentiert wurde, sondern mehrere Optionen. Dies wird hoffentlich als Inspiration dazu dienen, Stadtplanung verstärkt als demokratischen Aushandlungsprozess zu verstehen :)

INSPIRIEREND, WEIL…

Der Verein Nextzürich hat sich zu einem Zeitpunkt für eine inklusive Stadtentwicklung eingesetzt, als so weitgehende Partizipation nicht vielen Bewohner*innen bekannt war – vor allem nicht via Online-Plattform. Sie haben damit viele Menschen begeistert und langfristig an diese Methoden herangeführt

Equipment nutzen

Unser Equipment will von euch kopiert, geteilt und je nach individuellen Bedürfnissen weiterentwickelt werden. Wir erwarten dabei bloss, dass ihr jeweils auf uns und allfällige Kompliz*innen verweist:

Lizenz: CC BY 4.0 | Urban Equipe & Nextzürich

Zitiervorschlag:
„Dieses Equipment ist unter CC BY 4.0 lizenziert. Es stammt von der Urban Equipe und Nextzürich. Der Originaltext bzw. die Originalversion befindet sich hier [Link einfügen].”

>> Wir haben diese Umsetzung lediglich beobachtet und im Gespräch mit unseren Komplizinnen Nextzürich als inspirierendes Beispiel dokumentiert, jedoch nicht in der Entwicklung mitgewirkt. Für weiterführende Informationen empfehlen wir euch direkten Kontakt mit den Entwickler*innen des Formates aufzunehmen.

feedback, kritik, ideen & wünsche

Wir lernen laufend und im Laufen! Lauft mit uns und teilt eure Erfahrungen, Ideen und Eindrücke mit uns!

Habt ihr Anmerkungen, Kritik oder Ergänzungen zu diesem spezifischen Equipment? Unser Equipment steckt noch in den Kinderschuhen und entwickelt sich nun stetig weiter. Wir freuen uns daher enorm zu hören, wie es bei euch ankommt, ob es verstanden und genutzt wird. Oder eben nicht.

Oder habt ihr Ideen für weitere Gelegenheiten oder Equipments, die wir vielleicht sogar zusammen mit euch erarbeiten können? Kennt ihr Projekte, die ihr gerne hier aufgearbeitet und dokumentiert sehen würdet?

Wir freuen uns via equipment@urban-equipe.ch davon zu erfahren.