"Quartieridee Wipkingen" – Reflexionsbericht

Oder: Wie weiter mit partizipativen Quartier-Budgets? - Reflexion, Fehler, Zweifel

In Zürich-Wipkingen testeten wir eine Art "partizipatives Budget" auf Quartiersebene. Im Arbeitsbericht dazu findet ihr die Beschreibung der Idee dahinter, wie es dazu kam, wie wir vorgegangen sind, etc. Ergänzend dazu möchten wir in diesem Bericht den Prozess reflektieren und auch unsere Fehler, Zweifel und offenen Fragen platzieren. Versteht dies gerne als Diskussioneinladung…


Grundfazit: Viel Begeisterung

Die Quartieridee (sowie auch später die Stadtidee) stiessen auf Interesse und wurden rege für die Eingabe von diversen Ideen genutzt. Es gab viele positive Rückmeldungen. Insbesondere unsere starke (offline)-Präsenz im Quartier während der Ideenphase, die breite Kommunikation und Vernetzung sowie die beratende Unterstützung der Projektmacher*innen wurden geschätzt.

Es waren auch vor allem diese Faktoren, die dazu beitrugen, dass sich viele Menschen im Quartier auf die eine oder andere Art angesprochen oder gar involviert fühlten. Eine der Hauptmotivationen zur Teilnahme schien nicht primär das zu verteilende Budget (auch wenn dies ein guter Anlass war), sondern die Gelegenheit, andere Leute mit gleichen Interessen zu finden.

Auch Menschen, die nicht selbst eine Projektidee eingegeben haben, konnten am Prozess teilhaben, weil alle Einschätzungen/Antworten der Stadt zu den unterschiedlichen Projekten öffentlich einsehbar waren und man dadurch viel darüber lernen konnte, was in dieser Stadt wie angegangen und verändert werden kann oder auch, warum gewisse Anliegen schwierig bis unmöglich umzusetzen waren. In diesem Sinne kann ein solcher Prozess also auch eine Art ‘Demokratieschule’ im Kleinen sein, in der Teilnehmende etwas über die eigenen Stadtpolitik und -verwaltung und Prozesse des Mitmachens lernen ebenso wie die Stadtverwaltung etwas über die Situationen und Bedürfnisse der Quartiere lernt.

Nicht zuletzt hatten und haben die Macher*innen der Gewinnerprojekte zum Teil sehr viel Freude an ihren Projekten, und da diese Projekte alle einen gemeinnützigen Charakter haben, wirken sie sich nun über den Prozess hinaus positiv auf das Quartier aus.

"Habt ihr wirklich «alle» erreicht?"

Diese Frage wurde uns fast am meisten gestellt. Unsere Antwort ist jeweils ein klares: Nein. Vor allem fehlten in den Teilnahmen Menschen aus finanziell prekären Situationen und Menschen ohne guten Deutschkenntnisse.

  • Welche zusätzlichen kommunikativen Mittel hätten helfen können?
  • Hätte es genützt, wenn wir in unserem Team eine grössere Diversität abgebildet hätten?

Wir sind nach diesem Testlauf jedoch auch grundsätzlich der Meinung, dass diese Art des Quartierbudgets kein demokratisches ‘Instrument für alle’ sein kann. Zumindest nicht in dem allumfassenden Sinn, wie es oft erhofft wird. Denn trotz allen Bemühungen setzt es doch einiges voraus, solche Projekte zu entwickeln, sie zu bewerben und umzusetzen. Und doch möchten wir dadurch auch nicht schmälern, WAS es denn trotzdem kann und WEN es anscheinend doch begeistert hat:

So machten etwa Menschen aus allen Altersgruppen von Jugendlichen bis Pensionierte mit; Menschen, die in Wipkingen wohnen und solche, welche sich aus anderen Gründen hier aufhalten; Menschen mit und ohne Schweizer Pass; verschiedene Geschlechter und Menschen aus verschiedenen Familienverhältnissen.

Besonders freute uns, dass das Projekt so gut bei Jugendlichen funktionierte (die auch einige Ideen umsetzen konnten). Hier sehen wir eine grosse Chance, dass jüngere bzw. noch unerfahrene Interessierte wertvolle Erfahrungen im Organisieren, im Umgang mit der Verwaltung, in politischen Fragen, Vernetzung im Quartier, … sammeln können. Kurz: ein Experimentierfeld für demokratische Selbstwirksamkeit.

PS: Immer wieder fiel uns auf, dass wir auch aufpassen müssen, wie und wann wir von ‘Teilhabe’ sprechen. Es schlich sich am Anfang automatisch ein, dass wir nur Projektgebende als ‘echt’ teilnehmend wahrnahmen. Schnell merkten wir dann jedoch, dass wir den Blick weiten müssen: Für viele Personen war nur schon das Kommentieren auf der Website, das Mitmachen bei der Abstimmung oder im Rahmenprogramm ihr Moment der Teilhabe, des Mitgemeint-Seins. Dies alles sind legitime Formen der Teilhabe und sollten nicht geringgeschätzt werden.

201018 header

"Also ist das, was ihr da macht, bloss so ein Luxus-Projekt, in dem sich privilegierte Menschen selbst verwirklichen?"

Auch diese (politisch gefärbte) Kritik gelangte an uns, wobei wir auch hier klar antworten: Nein.

Ja, die Quartieridee hat besonders engagierte und auch teils bereits organisierte Menschen angesprochen und ihren gemeinnützigen Ideen teilweise einen richtigen Schub gegeben – was an sich ja nicht schlimm ist sondern im Gegenteil sehr lässig. Aber es sind auch Projekte zustande gekommen von Menschen, für die eine solche Erfahrung eine Première war und sich dadurch ihr Bezug zu ihrem Wohnort noch verstärkt hat. Ebenfalls waren viele Teilnehmenden erstmals mit der Stadtverwaltung in direktem Kontakt und konnten sich so die Verwaltungsstrukturen und -abläufe aneignen.

Aber wir möchten diese Frage auch noch grundsätzlicher zu beantworten versuchen - eine politische Replik auf einen politisch gefärbten Vorwurf. Denn so sehr ein Quartierbudget ein möglichst offener, kollektiver Entscheidungsprozess ist, kann es nicht einfach die drängendsten strukturellen Probleme auf einmal lösen. Es kann ein Schritt in eine solidarischere Zukunft sein, und mehr Menschen einen Weg in politisches Handeln ermöglichen. Aber es kann uns als Gesellschaft nicht davon entlasten, dass noch viele soziale und ökologische Versäumnisse nachgeholt und Herausforderungen angegangen werden müssen. Darum fragen wir auch:

Wie gentrifiziert ist das Quartier Wipkingen bereits? Oder anders gefragt: Wie grundsätzlich ein- oder ausgeschlossen fühlen sich z.B. finanziell prekäre Menschen hier überhaupt? Oft war es in den Gesprächen Thema, dass es immer schwieriger geworden sei, hier eine bezahlbare Wohnung zu finden. Als Basis von Teilhabe muss natürlich gegeben sein, dass sich die Menschen überhaupt noch im Quartier befinden - und wenn sie dies tun, dann auch einen zeitlichen Horizont vor Augen haben, hier bleiben zu können. Wer ständig das Gefühl hat, nächstens von hier verdrängt zu werden, wird verständlicherweise wenig Energie darauf geben (können), sich um Quartierprojekte zu kümmern.

Wer diese Menschen mitdenken oder gar involvieren will, muss mit grösseren, strukturellen Massnahmen auffahren. Beziehungsweise: diese sollten wir sowieso auffahren. Denn Partizipation im Kleinen, in den Quartieren, im Alltagsraum ist wichtig, ersetzt aber nicht den nötigen Einsatz für die grossen Fragen von Partizipation, Chancengleichheit und sozialer Gerechtigkeit.

“Welche Unterstützung brauchen Teilnehmende bei der Projektentwicklung und -umsetzung? Kann man das nicht einfach sparen?”

Mmmh, so einfach ist das leider nicht. Denn die Knacknuss bei Prozessen wie der Quartieridee, die stark auf Eigeninitiative der Beteiligten setzen, ist: Je breiter die Teilhabe gewünscht wird, desto aufwändiger ist die Prozessbegleitung. Am zugänglichsten ist es, wenn die erste Eingabe von Ideen nur sehr wenig voraussetzt, z.B. nur einen Titel plus Kurztext. So können viele Menschen einfach mal einen Gedanken eingeben, ohne bereits Budget und Bewilligungen und Team etc. vorzeigen zu müssen und ohne sich bereits für die Umsetzung der eigenen Idee zu verpflichten. Unserer Erfahrung nach ist dies bezüglich Inklusion sehr wichtig. Eine solche Entscheidung im Prozess bedingt aber auch, dass in den weiteren Prozessschritten ein gutes Beratungs- und Austauschangebot vorhanden ist. Denn die meisten auf diese Weise eingegebenen Ideen sind noch relativ roh und müssen für eine nachvollziehbare Abstimmung konkretisiert werden (Budget ausgearbeitet, Konzept geschärft, Ort und Mitstreiter*innen gesucht, für die Abstimmung ansprechend aufgearbeitet, …). Unsere Erfahrung mit der Quartieridee Wipkingen zeigt jedoch: Mit unkomplizierten Beratungs-Angeboten ist es gut möglich, dass auch projekt-unerfahrenen Menschen den Zugang zu diesem Prozess finden. Bloss, eben - der Austausch und die Beratungen sind dafür unumgänglich.

Kurz: Je niederschwelliger die allererste Eingabe von Ideen, desto aufwändiger ist die Projektbetreuung in den weiteren Prozessschritten.

Jedes Quartierbudget muss also für sich beantworten, wie zugänglich der Prozess sein soll und wie viel Aufwand in der Prozessbegleitung möglich ist. Wir finden dabei vor allem wichtig, ehrlich zu kommunizieren: In einigen Situationen kann auch ein Prozess für Partizipations-Profis legitim sein - nur sollte dies dann auch so kommuniziert werden. Etwas peinlich ist bloss, wenn man eigentlich einen sehr inklusiven Prozess anstrebt oder verspricht, aber es halt kein inklusiver Prozess ist, weil an der Unterstützung und am Austausch gespart wird.

Übrigens: Zur Beratung gehört auch, Ideengebende in Bezug auf Zeit- und Budgetplanung zu unterstützen, um Selbstüberschätzung und Selbstausbeutung entgegenzuwirken. Gerade Projekt-Unerfahrene tendieren dazu, Kosten und Arbeitsaufwand zu unterschätzen, was dazu führt, dass sie am Ende mit dem Projekt überfordert sind, sich überarbeiten oder zu wenig Budget eingeplant haben. Es gilt ausserdem, gerade ökonomisch weniger privilegierte Teilnehmende dazu zu ermutigen, nicht nur Sachkosten, sondern auch etwas für ihre Arbeit zu budgetieren und sie während der Umsetzung in der Lohnadmin zu unterstützen oder gar eine Art Payrolling anzubieten (denn auch sich selbst einen Lohn auszuzahlen, ist administrativ eine grosse Hürde).

Offene Frage: Wie können wir sicherstellen, dass die nötige Beziehungs- und Unterstützungsarbeit machbar und ein zentrales Anliegen im Prozess bleibt?

"Ist ein solcher Prozess wirklich fair?"

Die oben genannte Unterstützung in der Projektentwicklung war essentiell für eine faire Abstimmung. Es galt zu vermeiden, dass Projekte in der Abstimmung deshalb nicht gewählt wurden, weil sie keinen verständlichen Titel hatten, oder ein weniger gutes Bild als andere, oder Rechtschreibfehler im Text etc… (Wenn eine solche Unterstützung nicht möglich ist, muss mindestens schon bei der Ideeneingabe sehr klar kommuniziert werden, dass z.B. Titel und Kurztext auch für die Abstimmung verwendet werden.)

Zudem wurden wir oft gefragt: Haben nicht einfach diejenigen Projekte gewonnen, die am besten mobilisieren konnten? Tatsächlich war das dank einem relativ einfachen Trick nicht der Fall: Wer abstimmen wollte, musste immer mehr als ein Projekt auswählen. Das heisst: auch wer nur gekommen ist um das Projekt des Kumpels zu unterstützen, nimmt sich noch kurz Zeit die anderen Projekte anzuschauen und wählt dort unvoreingenommen dasjenige aus, was ihn*sie am meisten überzeugt. Das führte dazu, dass sogar Projekte gewonnen haben die anschliessend nach eigener Aussage “gar keine Werbung für das Projekt” gemacht hatten.

Interessanterweise haben wir auch gemerkt, dass besonders teure einen schweren Stand hatten. Den Grund dafür können wir nicht nachvollziehen, wir würden daraus jedoch folgende Überlegungen für einen nächsten Versuch ableiten:

  • Die Kosten für eine einzelne Quartieridee könnten sowohl nach oben begrenzt werden, sodass sich die eingegebenen Ideen in einem ähnlicheren Rahmen bewegen. Bei einer Beschränkung der Kosten-pro-Projekt muss man sich dann allerdings gut überlegen, welche Grössenordnung von Projekten man damit noch ermöglicht – und welche nicht mehr.
  • Vor der Abstimmung kann ein Austausch zwischen allen Ideengebenden organisiert werden, bei dem sie ihre Budgetierungen vergleichen, sich ev. zusammenschliessen können, und somit eine bessere Ahnung davon haben, was die anderen eingeben.
  • Es kann zumindest explizit kommuniziert werden, dass erste Erfahrungen bisher darauf hinweisen, dass volle Budget-Ausschöpfungen einen schweren Stand in der Abstimmung haben.

“Ein Wettbewerb für ehrenamtliche Projekte? Geht es noch neoliberaler?

Diese Frage haben wir uns je länger im Prozess desto dringender gestellt. Denn in der Quartieridee Wipkingen wurden viel mehr Ideen eingereicht als gewinnen konnten. Und da zeigte sich eine Absurdität: Viele Menschen haben unentgeltlich und mit grossem Engagement ihre Ideen ausgearbeitet, und hätten diese auch im (fast bis ganz) ehrenamtlichen Rahmen umgesetzt. Da bieten also Menschen umsonst ihre Zeit und Energie an für eine gemeinnützige Sache – sozusagen als Geschenk. Und nun soll eine Abstimmung darüber entscheiden, ob diese Projekte umgesetzt werden dürfen oder nicht?

Im Nachhinein fragen wir uns, ob eine Abstimmung das geeignete Instrument dafür ist, um so über diese Projekte zu entscheiden. Gerade der ehrenamtliche Bereich sollte eigentlich von der Wettbewerbslogik möglichst geschützt werden.

Um dies im bereits angefangenen Prozess etwas aufzufangen, war uns wichtig, auch nicht finanzierten Projekten ein Austauschangebot zu geben, zum herausfinden, wie sie ihre Idee weiter verfolgen können.

Aber für weitere Prozesse dieser Art bleibt dringend zu überlegen, ob nicht ein anderer Entscheidungsmodus gefunden (oder entwickelt) werden könnte, der mehr auf Kooperation statt auf Wettbewerb unter gemeinnützigen Quartierideen setzt.

“Warum ist diese Online-Plattform so mühsam zu bedienen?”

Insbesondere mit der Usability der Website hatten einige Personen Mühe. Es wurde mehrfach der Wunsch geäussert, die Plattform zu vereinfachen (insbesondere den Registrierungsprozess) oder ein nächstes Mal auch eine analoge Abstimmungsmöglichkeit einzurichten.

Wir verstehen diese Kritik und sind seither in Zusammenarbeit mit der Stadt Zürich dabei, die Plattform zu vereinfachen und zu verbessern (gerade auch im Rahmen der Stadtidee und der Plattform «Mitwirken an Zürichs Zukunft»), indem wir z.B. grafisch mehr Übersichtlichkeit und bessere Orientierung anstreben und technisch die Zugänglichkeit vereinfachen und die nötigen Klicks für eine bestimmte Aktion zu reduzieren versuchen.

Trotzdem haben wir auch versucht dafür zu sensibilisieren, warum dieser Vereinfachung auch gewisse Grenzen gesetzt sind:

  • Eine Abstimmung ohne Registrierung hätte zur Folge, dass eine Person mit einfachen Tricks mehrfach abstimmen könnte. Das wäre den Ideengeber*innen gegenüber nicht fair.
  • Sich nur für einen einzelnen Prozess aufwändig zu registrieren nervt natürlich. Aber die Quartieridee war ein Pilotversuch mit der Idee, dieselbe Plattform später vielleicht für mehr Prozesse zu nutzen, sodass es sich dann langfristig auch lohnt. Heute ist das so: Mit einem Login kann ich mich bei allen laufenden städtischen Beteiligungsprozessen einbringen.
  • Gemeinnützige Open Source Entwicklungen haben andere Qualitäten als die Dienste der grossen Internet-Giganten Google, Facebook & Co. Die Grossen können sich ihre perfekte Usability vor allem deshalb leisten, weil sie auf Kosten unserer Interaktionen und Daten viel Geld verdienen. Das soll keine Ausrede sein, auch der Decidim-Community ist Usability ein Anliegen – trotzdem schien es uns ein guter Anlass, um für solche Unterschiede zu sensibilisieren.

Offene Frage: Wo liegt bei einer Onlineplattform die gute Balance zwischen einem hohen Anspruch an Datenschutz sowie Nachvollziehbarkeit und einem hohen Anspruch an eine einfache und intuitive Usability, am liebsten sogar ohne die Hürde einer Registrierung?

Wie geht es weiter mit dem partizipativen Budget in Zürich / in der Schweiz?

Um die Zukunft des partizipativen Budgets zu besprechen, müssen wir kurz die Begriffe klären. Üblicherweise bezeichnet der Begriff "partizipatives Budget" (oder auch: Participatory Budgeting, Bürgerhaushalt) nämlich einen Prozess, bei dem die Bevölkerung Ideen eingibt und darüber abstimmt, die Gewinner-Ideen dann aber von der Stadtverwaltung umgesetzt werden. Interessanterweise gab es das so in der Schweiz noch nicht.

Sowohl die Quartieridee als auch die Stadtidee oder das Budget participatif in Lausanne sind/waren keine partizipativen Budgets im 'eigentlichen' (oben genannten) Sinne. In allen Fällen ging es darum, dass Teilnehmende Ideen eingeben, die sei am Ende selbst umsetzen können (und müssen). Alle partizipativen Budgets, die bisher in der Schweiz organisiert wurden (oder noch in Planung sind) sind also eigentlich analog der Quartieridee eine Art "Projektwettbewerb" und "Projektfonds". Für ein partizipatives Budget im eigentlichen Sinne fehlen in Zürich (und vermutlich schweizweit) bisher die politischen und rechtlichen Grundlagen.

Es bleibt also zu klären: Wollen wir zukünftig A.) ein Projektwettbewerb/Quartierfonds für Projekte aus der Bevölkerung (à la Quartieridee/Stadtidee) oder wollen wir B.) ein partizipatives städtisches Budget (à la betri reykjavik), als Teil des bestehenden Haushalts der Stadt?

A) Falls wir weiterhin Projektwettbewerbe/Quartierfonds veranstalten gilt es u.a. folgende offenen Fragen im Auge zu behalten:

  • Wie stellen wir sicher, dass ein solcher nicht zu hochschwellig ist, also nicht zu viele Menschen dadurch ausschliesst, dass viel Eigeninitiative und Einsatz gefordert ist?
  • Wie stellen wir sicher, dass dieses Instrument nicht ungewollt bestehende Fördertöpfe (z.B. die Kulturförderung) konkurriert oder ersetzt?
  • Wie stellen wir sicher, dass sich nicht städtische Verantwortungen dadurch in den privaten Bereich verschieben, und gewisse Quartieraufgaben an die Bevölkerung abgeschoben werden?
  • Ist es nicht schade oder gar zynisch, wenn in der Abstimmung Projekte zueinander in einen Wettbewerb gebracht werden, die alle mit viel Herzblut und Ehrenamt von Menschen erarbeitet wurden und dem Quartier quasi als gemeinnütziges Geschenk angeboten werden?
  • ...

B. Falls wir ein 'echtes' partizipatives Budget einführen wollen, gilt es dafür die politischen und rechtlichen Grundlagen zu schaffen. Dazu muss man sich auch fragen:

  • Wie stellen wir sicher, dass die Wünsche auch dann wahr werden, wenn wir sie eben nicht selber anpacken sondern an die Stadt/Verwaltung delegieren? Wie verhindern wir, dass sie auf dem Weg durch die Mühlen der Verwaltung nicht verwässern oder unverdient als nicht machbar abgestempelt wird – einfach weil sich gerade niemand ihrer annehmen will/kann?
  • Inwiefern untergräbt man mit neuen Partizipationsinstrumenten die bestehenden demokratischen Prozesse und Institutionen? Die Haushaltsverteilung ist zum Beispiel Aufgabe des Zürcher Gemeinderats (städtisches Parlament, also Legislative), diese Aufgabe würde ihm dann für einen Teil des Haushalts weggenommen. Will man das, oder will man das nicht?
  • In aktivistischen Kreisen beobachten wir die Tendenz, neue Mitmachmöglichkeiten zu erfinden, neue Instrumente zu fordern, neue Formate zu pushen – anstatt die bereits existierenden formellen demokratischen Institutionen zu nutzen (z.B. Volksinitiative, Wahl in Parlamente). Das hat wohl mit der ständigen und durchaus gesunden Skepsis gegenüber den bestehenden Institutionen aufgrund ihrer Unzulänglichkeit zu tun. Wir verstehen diese Tendenz (und beobachten sie auch bei uns selber), aber ist sie immer zielführend? Umgekehrt könnte man ja auch fragen: Warum nicht die bestehenden Institutionen zurückerobern und von innen heraus verbessern, verjüngen, modernisieren, verändern…?
  • ...

Vielleicht wäre es ja auch wichtig, beides zu haben: ein neuer Projektwettbewerb mit Fördertopf für Quartierprojekte wie auch ein echtes partizipatives Budget. Und natürlich noch viel mehr! :)

Wie gesagt: Versteht dies bitte als Diskussionsgrundlage und meldet euch, wenn ihr andere oder zusätzliche Meinungen oder Inputs habt. Zum Beispiel per Mail.

Wir freuen uns!

Foto5
Foto vom Start-Event der Ideensammlung