25.06.2019

Mit Narrenfreiheit auf Partizipationskurs

Wie kann die Mitwirkung der Bevölkerung in Stadtplanungsprozessen gefördert werden? Wie werden Stimmen aus der Bevölkerung nicht nur eingefangen, sondern tatsächlich zum Leben erweckt? Tim gibt Einblicke, wie die Urban Equipe solche Fragen aktuell für die Stadt Huttwil zu beantworten versucht.

Hoi Tim. Sag mal, woran arbeitest du gerade?
Ich arbeite zur Zeit an unserer Präsenz als Hofnarr am Summermärit in Huttwil.

Was ist ein Hofnarr?

Der Hofnarr ist eine von uns geschaffene Rolle, die wir innerhalb grösserer Planungs- und Partizipationsprozesse einnehmen möchten. Dabei zieht der Hofnarr am selben Strang wie auch die Auftragnehmer*in des Planungsprozesses, jedoch mit anderen Methoden. Der Hofnarr hat mehr (Narren-)Freiheiten, da er nicht an Planungs- oder Legislaturziele gebunden ist und dadurch andere Fragen stellen, neue Methoden ausprobieren und weitere Partnerschaften eingehen kann. Diese Rolle ermöglicht uns, einerseits selbstbestimmt zu agieren und neue Wege zu gehen, andererseits aber durch den intensiven Austausch mit der Projektleitung wertvolle Inputs für den Planungsprozess einzubringen.

Und was zieht den Hofnarren nach Huttwil respektive an den Sommermarkt?

Unsere Präsenz am Summermärit findet im Rahmen eines Forschungsprojektes der Berner Fachhochschule statt, das sich zusammen mit einer Kerngruppe aus Huttwiler*innen mit dem Leerstand in Huttwil beschäftigt. Der Hintergrund: Huttwil wies 2018 schweizweit den höchsten Leerstand an Wohnungen und Büros auf. Als Teil dieses Projektes haben Nextzürich und die BFH eine Kopie der seit 2013 betriebenen Nextzürich-Ideenplattform für Huttwil eingeführt. In dieser “Städtliwerkstatt” können Bewohner*innen Ideen, Perlen und Probleme ihres Städtlis auf der Plattform einbringen und so an der Problemlösung zum Leerstand partizipieren.
Wir, die Urban Equipe, wurden danach als Expertin für Partizipation durch zivilgesellschaftliches Engagement eingebunden und haben dabei jene Rolle eingenommen, die wir aus Zeiten beim Verein Nextzürich kennen: jene des Hofnarren. Um ein erstes Mal in Kontakt mit den Huttwiler*innen zu kommen, haben wir uns die lockere Atmosphäre des traditionellen Sommermarktes ausgesucht.

Welches Ziel verfolgt ihr mit dieser Präsenz?

Ziel der Hofnarrenrolle ist es, Menschen in Huttwil mehr zu vernetzen und dazu beizutragen, dass sie sich aktiv für die Zukunft des Städtlis engagieren können. Konkret könnte das heissen, einen Städtli-Verein zu gründen oder einen Leerstand – oder mehrere – als Zwischennutzung zu bespielen.

Und wie genau vernetzt und aktiviert der Hofnarr?

Der Marktstand ist der erste Schritt: Hier finden unsere Besucher*innen eine grosse Ideen-Karte von Huttwil, eine Getränkeecke sowie viele Möglichkeiten zur aktiven Auseinandersetzung mit Huttwil. Wir wollen so mit den Huttwiler*innen über individuelle Bedeutung und Zukunftsvisionen Huttwils sprechen und dabei nach konkreten Ideen gegen den Leerstand suchen. Damit aus den Ideen auch reales Engagement der Bürger*innen entstehen kann, holen wir zudem konkretes Interesse an und Ressourcen für die Mitwirkung ab.

UE Blog Hofnarr 2

Der Marktstand ist also so etwas wie eine Offline-Ergänzung zur Online-Städtliwerkstatt?
Einerseits ja, und zwar für alle, die noch nichts von der Website wussten oder für die das Ausfüllen am Computer eine Hürde darstellt. Andererseits ist es aber darüber hinaus auch eine Chance, Ideen nicht einfach nur online zu posten, sondern vorher mit anderen darüber zu diskutieren – wodurch Ideen oft an Klarheit, Relevanz oder Rückendeckung gewinnen. Das ist eine zentrale Erfahrung aus der Arbeit von Nextzürich, die Ideen- und Diskussionsstände bereits mehrfach als Teil grösserer Events im öffentlichen Raum eingesetzt hat, so zum Beispiel bei Platz- oder Quartierfesten.

Wie geht es nach dem Marktstand weiter?

Damit die gesammelten Inputs schliesslich nicht auf der Plattform verenden, werden wir für den kommenden Herbst Aktionen und Veranstaltungen für die Umsetzung der gesammelten Ideen planen. Auf diese Umsetzungsphase freue ich mich persönlich besonders. Und ich bin enorm gespannt, was es dann konkret sein wird: Wird der Markt neu erfunden, eine Zwischennutzung initiiert, werden Spaziergänge organisiert oder ein Garten-Festival?

Wie unterscheiden sich die Partizipationsprozesse in Zürich und Huttwil?

Ein offensichtlicher Unterschied besteht sicherlich beim Huttwiler Leerstand und dem überhitzten Markt in Zürich. Ebenfalls differenzieren können wir in der räumlichen Dimension: von der Klein- zur Grossstadt. Wie sich diese Unterschiede auf den Prozess auswirken werden, können wir jedoch noch nicht wirklich abschätzen. Optimistisch gesehen könnte dies zu mehr Engagement unter den lokalen Bewohnenden führen, pessimistisch gesehen zu mehr Vorsicht, weil man sich kennt und sich dadurch exponiert.

Gibt es Wunsch-Kompliz*innen, die hier bei der Umsetzung weiterer Formate helfen könnten?

Ein ganz toller Komplize wäre ein Verein, zusammengesetzt aus engagierten Huttwiler*innen, der Ideen für Huttwil entwickelt und in engem Austausch mit der Bevölkerung, der Gemeindeverwaltung und der Politik steht.

Welche Worte fassen deine Arbeit hierzu am besten zusammen?

Partizipation, Zivilgesellschaft, Engagement

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Über Tim

Wohn- & Lieblingsort? Zürich & und schwierig festzulegen... sie sind zu divers

Hintergrund?
studierte Urbanistik an der Bauhaus-Universität Weimar und anderen, ist Stadtplaner in einem Planungsbüro und sitzt in einer Baukommission

Urban Equipe Hut?
schweizweiter Projekttransfer

Projekte, die dich inspirieren?
Raumstation, Actors of Urban Change, Open Urban Institute